Donnerstag, 18. Februar 2016

Coppicing-Pflanzung 2012-2016 - eine Bestandsaufnahme

Ausgangssituation & Umsetzung

Die Landschaftsarchitektur - im Besonderen ihre Teildisziplin Pflanzenverwendung - stellt sich die Aufgabe, zeitgemäße Begrünungskonzepte für Städte zu suchen, zu erproben, zu bewerten und letztlich daraus Handlungsempfehlungen für die Praxis abzuleiten. Hierbei bilden gesellschaftliche, städtebaulich-räumliche, ökologische und nicht zuletzt finanzielle Aspekte und Entwicklungen den Rahmen. In diesem Kontext ist auch der Coppicing-Versuch. Ausgangspunkt war im konkreten Fall ein Versuch der Universiät Sheffield mit rückschnittfähigen Gehölzen, allen voran Rhus typhina (Essigbaum), die maschinell in mehrjährigen Intervallen auf den Stock gesetzt (= to coppice) und durch korrespondierende nordamerikanische Stauden ergänzt wurden. Trotz positiver Zwischenergebnisse hinsichtlich des Vegetationsbildes und Pflegeaufwandes wurden die dortigen Versuche weder intensiviert noch - so zumindest der Kenntnisstandes des Verfassers - in der breiten Planungspraxis berücksichtigt.

Für den Verfasser und die damals als Wiss. Hilfskraft am Fachgebiet tätige Theresa Edelmann, die zuvor ein Auslandssemester in Sheffield verbracht hatte, ergaben sich eine Reihe von Fragen, die mit dem englischen Ergebnisse nicht oder nicht ausreichend geklärt werden konnten:

- Würden sich Gehölze im kontinentalen Klima Deutschlands ähnlich verhalten wie in Sheffield?
- Welche weiteren Gehölzarten und -sorten kämen in Frage (Ausschlagverhalten)?
- Welche ästhetischen & anderen relevanten Eigenschaften werden durch das Coppicing gefördert/geschwächt?
- Welches Dauerverhalten habe Coppicing-Gehölze und -pflanzungen?
- Lassen sich artenreiche Kompositionen zusammenstellen?
- Welche Pflegeintervalle sind sinnvoll und welche Aussagen zu Pflegekosten sind daraus ableitend möglich?
- Werden Coppicing-Pflanzungen von den Bürgern akzeptiert/geschätzt?
- Wo wären möglich Einsatzbereiche?

Zur umfänglichen Beantwortung aller Fragen wären langjährige, vergleichende Untersuchungen notwendig. Dies war weder personell noch finanziell möglich, zudem fehlten der TU Dresden geeignete Versuchsflächen. Dennoch versuchten die Beteiligten einen ersten Schritt zu tätigen, indem sie die Stadt Dresden für eine Demonstrationspflanzung im öffentlichen Grün gewinnen konnten.

Grundsätzlich ist das Einsatzspektrum von Coppicing-Pflanzungen groß und reicht von extensiven, artenarmen (Mono-)Pflanzungen, die in Mehrjahresturnus maschinell zurückgesetzt werden (im Charakter einer Kurzumtriebsplantage ähnlich) bis hin zu intensiven, artenreichen, mit anderen Lebensformen (Stauden, Blumenzwiebeln) kombinierten, und unterschiedlich Stockhöhen versehenen Pflanzungen (ähnlich einer englischen Mixed Border). Angesichts der Lage, Flächengröße und Einordnung in die Gesamtplanung (die für die Alaunpark-Erweiterung durch UKL Landschaftsarchitekten, Dresden, stammte) erschien den TU-Beteiligten ein eher intensiverer Ansatz passender. Die zwei zur Verfügung gestellten Flächen (in der Summe etwa 300m², die Tiefe der von allen Seiten einsichtigen Flächen schwankt zwischen 3,8 bis 6m) erhielten an Laubfarben (gelb, rot) orientierte Bepflanzungskonzepte. Während sich hinsichtlich der Wirkung die Gehölze dominieren sollten (und dies auch bis heute der Fall) ist, wurden mengenmäßig weit mehr Stauden gepflanzt (10:90, ohne Berücksichtigung von Geophyten). Aufgrund von Bauverzögerungen erfolgte die Realisierung der Pflanzung erst im Frühjahr 2012. Zuvor wurden die Pflanzflächen 30cm tief ausgekoffert und Rindenkompost als Substrat eingefüllt. Auf eine Mulchschicht wurde bewusst verzichtet, da ein zeitnaher Flächenschluss durch die Bepflanzung erwartet wurde. Im Herbst 2012 wurde die Bepflanzung durch das Einbringen von Geophyten komplettiert.

Rückschnittmaßnahmen &-intervalle

Aufgrund der hohen Nährstoffverfügbarkeit im Pflanzsubtrat und guter Pflanzenqualitäten war der Zuwachs bereits in der ersten Vegetationsperiode weit über den Erwartungen (einzelne Gehölze erreichten (ausgehend von etwa 50cm) fast 4m. Aus diesem Grund wurden im Februar 2013 alle Gehölze mit der Schere bzw. Astschere auf den Stock gesetzt. Aufgrund der artspezifischen Verzweigung und Knospenbildung wurden einzelne Gehölze in einer abweichenden Höhe zurückgeschnitten (im Regelfall 15cm). Auch in den Folgejahren war der Jahreszuwachs sehr stark, so dass es bei einem jährlichen Rückschnitt-Turnus kam. Ausnahmen bildeten hier lediglich eine einzelne Hechtrose (Rosa glauca) und Cornus sanguinea ‘Midwinter Fire‘, die aufgrund einer Fehllieferung erst 2014 gepflanzt wurden. Aufgrund des jährlich etwas nach oben „wachsenden“ Schnittansatzes wurde im Februar 2016 beim Trompetenbaum (Catalpa) erstmals ein stärkeres Zurücksetzten mit einer Säge vorgenommen (etwas auf die Höhe des Rückschnitts von 2013), bei anderen Gehölzen ist dies bislang nicht notwendig.

Bisherige Erkenntnisse (allgemein)

- Die Bepflanzung hat sich in beiden Bereichen zu einer relativ stabilen Komposition entwickelt. Es kam zu einem geringen Ausfall von Gehölz-Individuen, jedoch nicht zu einem kompletten Ausfall einer Gehölzart oder -sorte. Somit blieb die angestrebte Artenvielfalt bislang erhalten.
- Ein spürbarer Vitalitätsverlust bei den Gehölzen ist trotz des jährlichen Rückschnitts bislang nicht zu beobachten. Noch immer erreichen einzelne Gehölze bis zum Herbst 3m und mehr.
- Durch den wiedererkennbaren Rückschnittpunkt an den Gehölzen sind die Rückschnittmaßnahmen auch von Pflegepersonal leicht und ohne besondere Einführung vor Ort durchführbar, die bislang nicht mit der Fläche betraut waren
- Während der Vegetationsperiode wirkt die Bepflanzung sehr üppig-voluminös (ungerichtet), im Winter dominieren die vertikalen Strukturen der Ruten.
- Bis auf wenige Wochen im Jahr (z.B. nach dem Rückschnitt) hat die Bepflanzung ganzjährige Schmuckmerkmale (buntes Laub, leuchtender/farbiger Austrieb, Textur- und Formenkontraste, Rindenfärbung, etc.) zu bieten. Als positiv hat sich hierbei die Kombination mit Stauden (darunter zahlreichen Gräsern) und Geophyten erwiesen. Besonders die Randbepflanzung, die an mehreren Stellen aus dem Japanwaldgras (Hakonechloa macra) besteht, wirkt sich als ruhiger Rahmen positiv auf die diffizile Bepflanzung in den Beeten aus.
- Infolge der Bildung von kräftigen Ruten und damit relativ großen Blattnarben haftete das Laub im Herbst besonders lange (bis zu zwei Wochen länger)
- Wohl am Schwierigsten lässt sich die Frage nach der Akzeptanz bei der Bevölkerung beantworten. Dies trifft aber nicht nur allgemein auf alle Pflanzungen zu, sondern ist angesichts der heterogenen Bevölkerung in der Dresdener Neustadt nahezu unmöglich. Seriös lässt sich angesichts von zielgerichteten Pflanzen-Diebstählen bzw. durch passende Pflanzenhinzufügungen nicht auf eine besondere Pflanzenliebe und Akzeptanz der Allgemeinheit schließen. Vernachlässigt man zwei kleine Bereiche, die durch einen ungünstigen Verlauf der Wege immer wieder überlaufen werden, wiedersteht die Bepflanzung bislang „unüblichen“ Nutzungen, die im Alaunpark immer wieder vorkommen. Sowohl bei den Pflegern als auch in der Fachöffentlichkeit hat die Bepflanzung eine gewisse Popularität erfahren, die sich zum Beispiel in aufgeschlossener Beteiligung der Pflegekräfte, zahlreiche Besuchen von Fachleuten und in der Zwischenzeit gestarteten Coppicing-Versuchen an Hochschulen und Versuchsanstalten widerspiegelt.
- Bei den jährlich zurückgeschnittenen Gehölzen ist kaum eine Blütenbildung zu beobachten (Ausnahmen siehe unten). Dies ist mehr aus ökologischen denn aus ästhetischen Gründen ein Nachtteil der Bepflanzung.

Bisherige Erkenntnisse (pflanzenspezifisch)

Bislang uneingeschränkt empfohlen werden können

o Blasenspiere (Physocarpus): treibt früh aus
o Perückenstrauch (Cotinus): sehr guter Blattschmuck, nur die Sorte ‘Young Lady‘ blüht
o Tulpenbaum (Liriodendron): hoher Blattschmuck in der 2.JH
o Weißer Hartriegel (Cornus alba): vor allem im Winter zierend, die Sorte Baton Rouge hat besonders überzeugt
o Rispen-Hortensie (Hydrangea paniculata): bildet Blüten
o Honoki-Magnolie (Magnolia hypoleuca): Rückschnittpunkt nicht zu tief ansetzen, schöne Belaubung, junge Blätter orange-grün

Mit kleineren Einschränkungen empfohlen werden können

o Trompetenbaum (Catalpa): braucht Platz -> nicht zu dicht an den Rand pflanzen, stärkeres zurücksetzen alle 3-5 Jahre, sehr hoher Schmuckwert
o Seidenbaum (Albizia julibrissin): Eventuell nicht überall ausreichend winterhart, die trifft besonders auf die Auslese ‘Summer Chocolate‘ zu, bildet wenige, teilweise auch mehr in die Horizontale gerichtete Jahrestriebe
o Holunder (Sambucus): Ausfälle lassen auf etwas schwierigere Etablierung schließen. Eingewachsene Exemplare machen sich gut. Treibt sehr zeitig aus.
o Essigbaum Tiger Eyes (Rhus typhina): Bislang keine Ausläuferbildung, aber noch nicht ausreichend lang beobachtet Winter; schlägt wieder aus, nur nicht ganz so üppig wie andere Gehölze.
o Japanischer Schnurbaum ‘Flaviramea‘ (Sophora japonica): Zierwirkung im Som-mer&Winter; schlägt wieder aus, nur nicht ganz so üppig wie andere Gehölze

Eingeschränkt empfehlenswert sind

o Blut-Hartriegel (Cornus sanguinea) ‘Mitwinter Fire‘: Jährlicher Rückschnitt wird nicht so gut kompensiert, besser wäre ein alternierender Rückschnitt alle 3 Jahre, sehr schön Winterwirkung (Achtung: Die Art bildet Ausläufer!)
o Silber-Weide (Salix alba): Sehr konkurrenzstark, entzieht anderen Pflanzen Bodenwasser, nur mit kräftige Gehölzen kombinieren. Schöne Winterwirkung.
o Götterbaum Purple Dragon (Ailanthus altissima): beeindruckende Wuchsleistung und Wirkung, wird aber besonders von einigen Fachleuten beargwöhnt. Nachdem die Mutterpflanze geklaut wurde, bildeten sich aus den im Boden verbliebenen Wurzeln Schösslingen, die sich scheinbar weiter ausbreiten (derzeit noch keine Bedrohung). Es wird ungeklärt bleiben, ob ein derartiges Verhalten auch bei einem ausgebliebenen Diebstahl zu beobachten gewesen wäre.

Zukunft der Pflanzung & Noch zu erwartender Erkenntnisgewinn

Die Bepflanzung ist integraler Bestandteil der Alaunparkerweiterung, somit ist ein Rückbau nicht angedacht. Folgende Fragen sollen in den nächsten Jahren noch beantwortet werden:
- Bei welchen Gehölzen (und in welchem Turnus) ist ein stärkeres zurücksetzen (wie bei Catalpa im Jahr 2016) notwendig?
- Ist ein spürbarer Vitalitätsverlust (und ab wann) bei einzelnen Pflanzen und bei der Pflanzung allgemein erkennbar?

Weiterer Forschungsbedarf

Wie von Anfang an zu erwarten war, lässt die Demonstrationspflanzung im Alaunpark nur bedingte Rückschlüsse auf das Coppicing-Prinzip im Allgemeinen zu. Folgende Fragen sollte im Rahmen weitere Versuche betrachtet werden:
- Welche Gehölze eignen sich noch für das Coppicing?
- Lässt sich eine Klassifizierung des Rückschnitt- und Dauerverhalten vornehmen, die in der Praxis als Planungshilfe dienlich sein könnte?
- Lassen sich Coppicing-Pflanzen zusammenstellen, die dauerhaft maschinell gepflegt werden?
- Lässt sich das Problem mit der fehlenden Blütenbildung durch die Auswahl bestimmter Arten und Sorten minimieren? Was für eine gesamtökologische Wirkung hat eine Coppicing-Pflanzung?
- Wie hoch ist der tatsächliche Pflegeaufwand im Vergleich zu anderen Bepflanzungsformen?
- In welchen Räumen lassen sich Coppicing-Pflanzungen (bevorzugt) verwenden?